Das Metaverse in der Personalarbeit: Hype oder Heilsbringer? – Verena Fink im Beitrag VDI Nachrichten von Chris Löwer

Das Metaverse hat das Potential, die Personalarbeit zu revolutionieren, sagen machen Experten und Expertinnen. Doch sind virtuelle Welten wirklich hilfreich und wer nutzt sie schon jetzt?

Zuletzt ist es angesichts des KI-Hypes etwas stiller um das Metaverse geworden. Um jenes virtuelle Universum also, in dem Menschen als Avatare zusammen agieren und doch mit der realen Welt verknüpft bleiben.

„Das Metaverse bietet eine immersive Erfahrung, das heißt, Nutzer können in eine vollständig digitale Umgebung eintauchen und sich dort in Echtzeit mit anderen Besuchern treffen und interagieren“, sagt Tanja Matt, Senior Manager und New-Work-Expertin bei der Management- und Technologieberatung Detecon International. Zwar sei das Konzept des Metaverse noch in der Entwicklung begriffen, doch daraus erwüchsen etliche Chancen für die Arbeitswelt.

„Die Personalarbeit muss und wird digitaler werden – und schließt damit auch neue Technologien wie das Metaverse ein“, sagt Matt. „Das ist einerseits eine Notwendigkeit für Unternehmen, um den sich verändernden Ansprüchen an ein modernes HR-Management gerecht zu werden. Andererseits gibt es aber auch einen gewissen Handlungsdruck von außen.“ So hätten junge Mitarbeitende und im Fachkräftemangel hart umworbene Talente eine gesteigerte Erwartungshaltung an den Einsatz digitaler Technologien. Das Metaverse könne in der gesamten Personalarbeit hilfreich sein – vom Recruiting und Onboarding über Weiterbildung und Qualifizierung bis hin zum Performance Management.

Metaverse könnte die Industrie auf ein neues Level heben

Avatare vermitteln beim Vorstellungsgespräch durch Gestik und Mimik einen Eindruck der Person

Ähnlich sieht das auch Kl-Expertin und Innovationsscout Verena Fink, Chefin der Woodpecker Finch GmbH: „Das Metaverse ist für die Personalarbeit überall dort spannend, wo ein Unternehmen mit Bewerberinnen oder Mitarbeitern immersiv und interaktiv agieren will.“ Soziale Interaktion könne sich vom eindimensionalen Intranet-Chat in eine visuelle Welt verlagern: „Dort fühlen sich Begegnungen deutlich realer an“, behauptet Fink. Gerade in der Weiterbildung oder der Zusammenarbeit sei dies weitaus fruchtbarer als reine Videocalls. Die Lernerfahrung werde durch virtuelle Welten, in die man eintaucht, intensiver und damit der Lernerfolg größer, so der Ansatz von Fink.

„Das Bewerbungsgespräch im virtuellen Raum ist das augenscheinlichste Beispiel für die Nutzung von Metaverse-Technologie in der Personalarbeit“, erklärt Matt. „So können sich Bewerbende sowie Recruiter ein weitaus besseres Bild voneinander machen, als es bislang remote möglich war.“ Denn Avatare vermittelten dabei durch ihre deutlich erkennbare Mimik und Gestik einen umfassenderen Eindruck der Person am anderen Ende der Leitung. „Digitale Zwillinge von Büroräumen ermöglichen zudem Bewerbenden im Rahmen virtueller Führungen Einblicke in das Arbeitsumfeld eines potenziellen Arbeitgebers und vermitteln die dort herrschende Atmosphäre“, sagt Matt. „Treffen im virtuellen Raum schaffen somit für das Recruiting den Rahmen für Gespräche, die offener und persönlicher sind als in einer klassischen Videokonferenz.“

Das Metaverse kann auch beim Onboarding hilfreich sein – BMW macht es vor

Effekte, die man sich auch bestens beim Onboarding zunutze machen kann: Neue Mitarbeitende können sich im virtuellen Raum mit ihrem künftigen Arbeitsplatz vertraut machen, die örtlichen Gegebenheiten kennenlernen, Kolleginnen und Kollegen treffen sowie an interaktiven Schulungen teilnehmen. Matt: „All das trägt maßgeblich dazu bei, dass sich neue Mitarbeitende schnell an die Unternehmenskultur und -prozesse gewöhnen.“ Hinzu kommt: „In der Onboarding-Phase werden Kollegen und Kolleginnen entlastet, wenn beispielsweise Rundgänge oder Maschineneinweisungen als interaktive Schulung über virtuelle Learning Journeys abgebildet werden“, sagt Fink. Vorreiter ist hier BMW: Der Autobauer nutzt die Technik, um von allen seinen Werken einen digitalen Zwilling zu schaffen. Also ein digitales Abbild, in dem man sich virtuell bewegen kann. Nicht nur, um Fabriken zu planen, sondern auch um Mitarbeitende und Neueinsteiger in Arbeitsabläufen zu schulen. „Virtuelle Trainings schaffen durch Simulationen und umfassende Interaktionsmöglichkeiten einen Kontaktraum, in dem Menschen stärker voneinander lernen und sich gegenseitig über die ‚digitale Schulter‘ schauen können“, meint Matt. „Das führt zu mehr Austausch – auch informell – und einer direkteren Ansprache.“

Industrial Metaverse: Der Avatar an der Maschine

 

Hyundai und Samsung veranstalten Jobmessen im Metaverse

Bereits im Recruiting erblickt Fink das Metaverse als hilfreiches Werkzeug. Gerade bei einer technikaffinen Zielgruppe: „Auf virtuellen Jobmessen könnten Unternehmen leichter an potenziell interessierte Bewerberinnen und Bewerber herantreten und gezielt deren Skills adressieren.“ Eine gute Möglichkeit dafür seien auch Technologieevents im Metaverse. Warum nicht auf der Gamescom mit Gamification-Methoden Talente ansprechen?

Hyundai und Samsung veranstalteten bereits Jobmessen im Rahmen des Metaverse-Programmes „Gather Town“. Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC spricht mit der Metaverse-Plattform „Virtual Park“ gezielt Studierende an. Durch das virtuelle Zusammentreffen böten sich, so Jeremy Dalton, Leiter des Bereichs Extended Reality bei PwC UK, neue Chancen, um sich intensiver über Unternehmenskultur, Werte und Möglichkeiten auszutauschen. Zwanglos, entspannt von zu Hause aus. Dalton argumentiert, dass sich viele im Virtuellem wohler fühlten, weil sie sich über einen selbst gestalteten Avatar präsentieren könnten.

Unabhängig davon sei es aber auch vorstellbar, dass das Metaverse zu einer „absoluten Notwendigkeit“ für das Recruiting von Stellen mit hochkomplexem Rollenprofil werde, findet Matt: „Im virtuellen Raum können zum Beispiel mithilfe digitaler Zwillinge technische Gegebenheiten simuliert werden, anhand derer das Wissen und die Fähigkeiten technologieaffiner Bewerbender getestet werden können.“

Die deutsche DSGVO gilt auch im Metaversum

Personalabteilung ermöglichen, datengestützte Entscheidungen zu treften und Verbesserungen vorzunehmen. Da drängt sich die Frage nach dem Datenschutz auf. Hierzulande das Hauptargument von Kritikern der Technologie. „Sind Personen im Metaverse direkt oder indirekt identifizierbar? Im Metaverse gibt es in der virtuellen Umgebung Aufzeichnungen und Auswertungen von Verhaltens-, Bewegungs- und Reaktionsmustern. Auch automatische Gesichtserkennungssoftware kommt zum Einsatz“, benennt Fink die Problematik. In Deutschland gilt die DSGVO, die diese Fragen kläre. Gleichwohl sagt Matt: „Hilfreich wäre die Entwicklung international einheitlicher Standards für eine klare datenschutzrechtliche Grundlage.“ Denn das Metaversum ist ein virtueller globaler Ort.

Dass Fragen zum Schutz der Privatsphäre in dieser virtuellen Welt „noch nicht abschließend geklärt sind“, konzediert auch Florian Harzenetter, Senior Director für den Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika (EMEAI) des Softwareanbieters PTC. Auch wenn das Unternehmen selbst erste industrielle Projekte angestoßen hat, sieht Harzenetter noch einigen Forschungs- und Entwicklungsbedarf in rechtlicher und technologischer Hinsicht: „In Summe steht das Thema noch am Anfang.“ Aber der Anfang sei gemacht, weswegen auch Harzenetter überzeugt ist, dass das Metaverse in der Arbeitswelt keine Eintagsfliege sein wird.