Neue Zufallskultur im Metaversum? – Beitrag im Schäffer Pöschel Blog

Wir erleben seit Beginn der Corona-Pandemie, wie stark Social-Distancing, abgesagte Messen, Kongresse und Meetings die zwischenmenschliche Interaktion und Begegnung beeinträchtigen. Manches lässt sich durch kollaborative digitale Tools auffangen, auf der Strecke bleibt jedoch die Magie der zufälligen Begegnung. Auch bekannt als Serendipitätsprinzip beschreibt es das Innovationspotential aus zufälligen Gesprächen und Ereignissen. Rekrutierung und Karrieresprünge leben vermutlich selbst in einer Cyborg-Zukunft smarter Algorithmen auch noch von zufälligen Begegnungen: Wir kommen auf einer Messe ins Gespräch oder in der Kaffeepause einer Konferenz, warten mit der Leiterin der benachbarten Business Unit in der Kantinenschlange oder lernen den CIO auf einem internen Workshop kennen.

Wiedersprechen diese Zufälle dem Einsatz von KI-basierten Prozessen in der Personalarbeit?

Brauchen wir solche Zufälle überhaupt noch, wenn KI-Algorithmen weltweit im Netz die Fußspuren potenziell passender Talente in Echtzeit aufstöbern und verfolgen? Schließlich sind wir auch in der analogen Rekrutierung darauf aus, nichts dem Zufall zu überlassen: Stellenprofile wimmeln von Checklisten eierlegender Wollmilchsäue, Eignungsdiagnostik versucht die fachliche und persönliche Passung wasserdicht abzuprüfen. Vieles spricht dafür, mit Hilfe von KI mehr Systematik, Transparenz und Objektivität in Personalauswahlprozesse zu bringen.

Was passiert aber, wenn wir dann jemandem gegenübersitzen, bei dem scheinbar alles stimmt und trotzdem im Gespräch nichts zündet, keine Verbindung entsteht? So erzählen es Menschen auch im Kontext von Online-Dating: Die Plattformen Parship und Elitepartner arbeiten mit psychologisch gestützten Fragebögen und präsentieren die potenziellen Paarungspartner stolz priorisiert nach der höchsten Matching-Punktzahl. Selbst wenn alles stimmt, muss die Biochemie nicht mitspielen, weder auf Partnersuche noch im Bewerbungsprozess.

Die Atmosphäre und Magie menschlicher Begegnung lässt sich bis heute nur bruchstückhaft durch virtuelle Tools kompensieren, das gilt für die meisten Unternehmen auch im Recruiting. Gespannt blicken wir daher auf das Metaversum, vollmundig angekündigt von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Er beschreibt eine übergeordnete, virtuelle Welt, ein verkörpertes Internet, in dem Nutzerinnen körperliche Erfahrungen machen. Wir versinken in einer virtuellen Umgebung als einer erweiterten Realität. „Immersion“ heißt das Zauberwort, gerne bemüht von Virtual-Reality-Experten in der Gaming-Industrie.

KI-basierte Videospiele in der Personalauswahl

Schon heute kommen KI-basierte Videospiele in der Personalauswahl zum Einsatz, um die Reaktionsmuster von Kandidatinnen jenseits sozial erwünschter Antworten in Interviews kennenzulernen. Lässt sich das auch auf die Begegnung übertragen, wenn sich die Talente im Online-Game mit den künftigen Führungskräften oder Teamkolleginnen batteln? Anbieter wie Oculus versprechen, ihre VR-Brille kopieren die Mechanismen unserer Wahrnehmung, damit die virtuelle Illusion für uns zu einer perfekten Realität wird: in einem dreidimensionalen Raum mit Bild und Ton aber auch Textur. Die Aussicht klingt für viele im Recruiting verheißungsvoll, die in Erwartung des nächsten pandemie-bedingten Lockdowns sorgenvoll auf Bewerbungsinterviews im Kalender blicken. Hätten sie heute schon das Metaversum, sie könnten ganz entspannt ihren digitalen und physischen Recruiting-Alltag in einer multidimensionalen Welt weiterführen.

Noch sind wir nicht dort angekommen und ein Ersatz für menschliche Begegnung wäre vermutlich von Zuckerbergs Ankündigung zu viel erwartet. Im besten Fall hilft es uns, Präsenz besser zu erfahren und gemeinsame Erlebnisräume schaffen, die Grenzen von Zeit und Raum im Recruiting leichter überwindbar machen.