Digital Christmas – Kolumne Digital Woodpecker Teletalk 11/19

Warum virtuelle Weihnacht den Familienfrieden sichert

Wer sich in Zeiten von Klimademos zum Weihnachtsfest die Baum-Frage stellt, der landet laut Frauenportal freundin.de bei kleinen und nachhaltigen Tännchen statt großer benadelter Relikte. Freundin-Tipp: Einen Baum mit Wurzeln kaufen, ihn dann gießen und nach den Festtagen einpflanzen. Warum eigentlich keine digitalen Bäume, frage ich mich und male mir digitale Weihnachten 2025 aus. 

Der Baum als Hologramm darf auf keinen Fall fehlen, freischwebend im Wohnzimmer oder als iTanne von Apple. Wahlweise dekoriert mit projizierten Merchandise-Gadgets aus den Lieblingsserien „Stranger Things“, „Games of Thrones“ oder „The Walking Dead“. Im Smart-Home verknüpft mit Spotify, erkennt der Musikdienst die virtuellen Schwebeteilchen am Baum und spielt die passenden Soundtracks als Christmas-Jingle. Intelligente Sprachassistenten wie Alexa, Siri und Cortana haben am Weihnachtsabend Hochkonjunktur. In der Rolle von Super-Projektmanagern kommunizieren sie gleichzeitig mit Kühlschrank, Toaster, Fußbodenheizung, Lieferdienst und den veganen Würstchen auf dem Herd. Sie steuern die Licht-Dramaturgie zur Musikshow und lassen die „echten“ LED-Birnen in den Fenstern im passenden Takt blinken und rotieren. Sie stoppen nur, wenn zur Bescherung auf die Fensterfolien Schneefall projiziert wird, um an ein Naturphänomen vergangener Zeiten zu erinnern. Sobald die Würstchen auf dem Tisch stehen, übertragen sie auf dem großen Bildschirm im Wohnzimmer parallel die Live-Anfahrt des Lieferdienstes und steuern die Route des autonomen Fahrzeugs, damit der Schokokuchen innen noch flüssig ist, wenn die heiße Ware vor der Tür steht. Solch eine perfekte Inszenierung sucht nach Reichweite, so werden die Geschenke nach dem Auspacken bei TikTok inszeniert und die Großeltern posten minütlich in der Facebook-Timeline, wie die Würstchenschüssel langsam leerer wird. Deutlich unauffälliger steuern die Eltern eine kleine Drohne, die den Abend lückenlos mit Bild und Video begleitet und selbstständig auf relevanten Plattformen postet, um in jede soziale Gruppe der Anwesenden, die passende Verbreitung zu sichern.
Amazon Prime beschäftigt inzwischen ein Rudel Rentiere, die allerdings nur noch der Show dienen und Gutscheincodes transportieren. Echte Geschenke werden längst vom 3-Drucker im Wohnzimmer gedruckt. So können sich die Kleinen noch in letzter Sekunde entscheiden und beherzt auf den digitalen Touchscreen tippen, der im Menü die Auswahl an Geschenken anpreist. Na, haben Sie Lust bekommen auf digitale Weihnachten? Wenn nein, dann ziehe ich meinen letzten Trumpf aus der Tasche: Was wäre, wenn der Weihnachtsabend friedlich verläuft, da Alexa Stimmungen und Zwischentöne hört, um rechtzeitig einzuschreiten und Konflikte zu entschärfen? Dafür verzichtet so mancher gerne auf liebgewonnene Rituale.