Jede neue Idee am Kundenmehrwert messen – 7 Cherries aus dem Silicon Valley

Im Silicon Valley sind Traditionsunternehmen wie Hewlett-Packard, Intel, IBM und Siemens angesiedelt, aber auch vergleichsweise neue Player wie Google, Facebook, Netflix oder Tesla Motors. Von Start-ups, von denen es viele nicht wirklich zur Produktreife schaffen, einmal ganz abgesehen. Seit den 60er Jahren gilt das 70 Kilometer lange und 30 Kilometer breite Areal südlich von San Francisco als Kreativ- und Ideenschmiede der Hochtechnologie. Nicht nur technologisch kann man sich hier mehr als eine Scheibe abschneiden, wie unsere Gastautorin Verena Fink eindrucksvoll schildert.

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Manche Unternehmen in Europa stecken darüber einfach den Kopf in den Sand, andere versuchen die Erfolgsrezepte aus der amerikanischen Innovationskultur 1:1 zu kopieren.

Spannend wird es in der Kombination unserer Stärken mit Cherry Picking aus San Francisco, Palo Alto & Co.

7 Cherries aus dem Silicon Valley:

1. Identität am Kunden ausrichten!

Die meisten Firmen hierzulande definieren sich immer noch als das was sie tun, nicht über den Nutzen, den sie stiften.

Die großen Marken aus dem Silicon Valley, richten Ihre Identität hörbar am Kunden aus:

Facebook: für Menschen nützliche Produkte um Informationen zu teilen
Google: alles, was nötig ist, um für unsere Kunden die Informationen der Welt zu organisieren
Microsoft: die Produktivitätsplattform, die jede Person und Organisation auf diesem Planeten dazu befähigt, mehr zu erreichen.
Sie fühlen sich alle zuständig für einen Bereich, in dem sie ihrem Kunden maximalen Nutzen bieten wollen – unabhängig von der Art und Weise, der Technologie oder vom Kanal.

Wir sind nicht hier um Gefriergeräte herzustellen sondern um unseren Kunden einen klaren Nutzen zu stiften.

2. Ideen teilen

Begeistert bin ich immer wieder von der Offenheit, mit der mir Startups im Silicon Valley von Ihren Ideen erzählen, selbst wenn sie noch ganz am Anfang der Entwicklung stehen. „Habt Ihr keine Angst, dass Euch jemand die Idee wegschnappt und zum Wettbewerber wird?“ war eine meiner erstaunten Fragen bei meinen ersten Reisen ins Valley. „Nein“, war die lachende Antwort, „Während wir uns hier unterhalten, haben 500 andere im Umkreis von 20 Meilen die gleiche Idee. Wir müssen einfach schneller und besser sein in der Umsetzung. Durch den Austausch sammeln wir wertvolles Feedback, um beim Kunden erfolgreich zu sein“.

Während wir in Deutschland vor allem Angst haben, Geheimnisse zu verraten und kopiert zu werden treibt die Gründer in Kalifornien eher die Sorge, von der Informationskultur abgeschnitten zu sein wenn sie nicht ständig im Austausch sind. Kapitalgeber sorgen oft dafür, dass die Startups auf engem Raum mit anderen Gründungsteams zusammen sitzen weil intensiver Austausch wichtig ist für Innovation. Ein Investor hat mir kürzlich vorgerechnet, dass nur 5% des Erfolges von der Idee abhängen und 95% von der Umsetzung. Startup gieren förmlich nach Plattformen auf denen sie ihre Innovation präsentieren können, sei es im Café am Nebentisch, bei einem Meetup-Event oder auf einem Pitch-Wettbewerb der großen Acceleratoren.

3. Vom Problem her denken

Peter Thiel, reich geworden durch Paypal und Facebook ist einer der einflussreichsten Investoren im Silicon Valley. Er beschreibt den Erfolg des kalifornischen Unternehmergeistes als vertikalen Fortschritt. Vertikalen Fortschritt wird nach seiner Definition nur erreichen, wer Neues beginnt und vom Problem aus denkt. Horizontaler Fortschritt basiert auf Erfolgsrezepten, hängt an der Weiterentwicklung fest und kann nie über Optimierung hinaus kommen. Optimierung ist allerdings nach meinem Erleben das Metier vieler Manager, die Entscheidungen treffen auf Basis von Erfahrung. Die meisten haben aber keine Erfahrung mit Denken in Grundprinzipien und vertikalem Fortschritt. Das ist ein Hemmschuh für Innovation, die vom Problem aus denkt. Welches echte Problem können wir für unseren Kunden lösen, so relevant, dass er bereit ist, dafür zu bezahlen?

Herren des vertikalen Fortschritts sind im Valley die Ingenieure, sie sind in vielen Teams wichtiger als die Kaufleute weil sie es gewohnt sind, vom Problem aus zu denken.

4. Jede neue Idee am Kundenmehrwert messen

„Der Kunde ist der wichtigste Teil der Produktionskette“. Der Satz stammt von William Edwards Deming (1900 geboren), ein US-amerikanischer Physiker und Pionier im Qualitätsmanagement. Das gilt auch für heute noch genau so denn jede neue Idee und alles was wir tun sollte danach geprüft und entschieden werden ob es für den Kunden relevant ist.

Im Silicon Valley sind das die Leitfragen für jede neue Idee:

  • Ist Ihre Produktidee ein klarer Nutzenstifter für den Kunden?
  • Wer genau ist der ideale Kunde für diese Produkt?
  • Welche Probleme löst es für den Kunden, das ihn gerne dafür bezahlen lässt?
  • Was ist der Job den das Produkt genau erfüllt für den Kunden?
  • Welche Rolle wird das Produkt in seinem Leben spielen?

5. Iterativ Lernen zum marktfähigen Produkt

Wie oft wissen wir gar nicht genau was unsere Kunden treibt? Die Kunden können uns vielleicht sagen was sie wollen aber meistens nicht warum. Wie lassen sich die unausgesprochenen Bedürfnisse erfassen? Was, wenn unser Kunde noch nicht bekannt ist und wir nur mit einer Theorie, Hypothese oder Hoffnung unterwegs sind?

Steve Blank ist dafür ein Experte: Der amerikanische Investor hat vor über 10 Jahren nach dem Platzen der Dotcom-Blase aus den gemachten Fehlern einen Ansatz für iteratives Lernen entwickelt. Zentral für ihn: Customer Development ist ein schrittweiser Prozess um herauszufinden wer mein Kunde ist und was er genau braucht. Ein Feedback Loop für validiertes Lernen damit weder Geld noch Zeit für irrelevante Annahmen verschwendet werden.

Wie unterscheide ich Kundenmehrwert von Verschwendung am Anfang einer Innovationsidee wenn der Mehrwert noch nicht greifbar ist? Der typische Ansatz im Silicon Valley ist, jede Idee als Hypothese zu betrachten, die am Markt getestet werden muss. Kann sie dem Feedback von Kunden, Geschäftspartnern oder Investoren nicht standhalten wird sie durch eine neue Hypothese ersetzt und wieder vertestet bis alle erfolgskritischen Annahmen empirisch validiert sind. So lässt sich vermeiden, dass in die Entwicklung von Produkten oder Services investiert wird, die kein Kunde braucht

6. Erfolg messen mit einfachen Protoypen

MVP oder Minimum Viable Product ist eines der Buzz Words im Silicon Valley. Auf dem Weg iterativer Lernschleifen zum marktfähigen Produkt spielt das MVP eine zentrale Rolle. Getestet werden die Annahmen schnell und kostengünstig auf Basis von Prototypen, die radikal reduziert sind auf Kernfunktionen, sogenannte MVPs. MVPs, die in San Francisco häufig präsentiert werden sind zum Beispiel Skizzen einer App, die nur den Nutzen zeigen oder einfache Landing Pages anstelle einer kompletten Webseite.

Der Prototyp markiert auch den Startpunkt um Erfolg zu messen. Unsere Hypothese könnte zum Beispiel sein, 10% der Besucher einer Landing Page für einen Online-Kurs klicken beim ersten Besuch auf den Button „Kaufen“. Statt einer Website mit Shop würden wir nur einen einfachen Einseiter bauen mit einem Aktionsbutton darauf ohne den Prozess dahinter überhaupt schon aufgestellt zu haben. Vielleicht klicken nur 1% der Kunden auf den Button, dann hätten wir einen Startpunkt von dem aus sich Erfolg messen lässt in den nächsten Entwicklungsstufen.

7. Plattformen schaffen

Wenn man den Prognosen glauben darf, dann werden die Straßen von morgen vom Google Auto beherrscht. Nicht weil Google daran interessiert wäre Autos zu bauen sondern weil der Internetdienst Daten sammelt, um Konsumentenströme zu lenken. Mal angenommen Google wird uns in der Zukunft nicht mehr Fragen beantworten sondern sagen was wir idealerweise als nächstes tun, dann könnte uns das selbst fahrende Auto zu dem Händler bringen der für uns die passende Couch im Schaufenster hat und Google die höchste Provision zahlt. Während wir unterwegs wären könnten wir Musik und Videos streamen weil uns eine Drohne mit Daten versorgt. Der Internetbrowser würde protokollieren was uns im Netz interessiert, ein Roboter-Assistent würde unsere Emails und Bedürfnisse analysieren. Zuhause würden sich unsere Geräte selbst verwalten, nachordern und immer den besten Versorger auswählen. Selbst wenn Gesichtserkennung und offene Mikrofone keine Rolle spielten hätte Google eine Flut von Daten, die von großem Wert ist.

Netzwerkeffekte treiben die digitale Industrie, so sind Google und Facebook fast unangreifbar weil sie auf ihren Plattformen so viele Nutzer gesammelt haben, deren Daten wichtiger sind als Produkte oder Content.

Prominente Plattformbeispiele sind

  • Uber, das größte Taxiunternehmen, das keine eigenen Taxen besitzt
  • AirBnB die größte Hotelfirma, die kein Grundeigentum hat.
  • Facebook als größter Media Owner, der keine Inhalte erstellt.

Sie alle kennen ihre Kunden in und auswendig, sie sammeln und aggregieren Daten auf ihrer Plattform und haben damit Kaufkraft konzentriert. Wer die Plattform hat auf der sich die Kunden bewegen, hat Kundendaten. Und wer Kundendaten hat, hat die Fäden in der Hand.

Zusammengefasst

  • Richten Sie Ihre Identität am Kunden aus
  • Machen Sie Ihre Ideen durch Austausch besser
  • Denken Sie groß aber immer vom Kundenproblem aus
  • Prüfen Sie jede Idee auf Kundenmehrwert
  • Bauen Sie einfache Prototypen und gehen Sie damit sofort in den Markt
  • Messen Sie Erfolg am Kundenverhalten und passen sie radikal an
  • Schaffen Sie Plattformen und Netzwerke

Verena Fink ist Expertin für kundenzentrierte Innovation an der Schnittstelle von Service, Marketing und Vertrieb. Sie hat viele Jahre in deutschen Managementteams gearbeitet und disruptive Veränderungen begleitet. Bei QVC, einem amerikanischen Handelskonzern hat sie in der Geschäftsleitung Operations verantwortet und mit 6 Millionen Kunden experimentiert, wie sich in Echtzeit durch Kundendaten Verkauf optimieren lässt. Für ihre Strategieberatung Woodpecker Finch pendelt sie heute zwischen San Francisco und Deutschland, um Impulse aus dem Silicon Valley für deutsche Unternehmen nutzbar zu machen.

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