Warum unsere Wirtschaft anderen Humus braucht für digitale Zukunft. „Wir sind quasi das Uber für den Heimwerker!“ So oder so ähnlich argumentieren seit einigen Jahren viele Gründerteams, die versuchen bei Investoren das Potential ihrer digitalen Plattform-Idee zu unterstreichen durch den Vergleich mit dem Internetgiganten Uber aus den USA. Vergleiche, die selbst auf überhitzen Venture Capital Konferenzen inzwischen einen Gähnreflex auslösen. Was uns zum Gähnen bringt, ist nicht nur die Langeweile redundanter Pitch-Decks, es ist eine Übersprungshandlung: Wir wissen alle, dass den deutschen Gartenbau-Königen der Humus fehlt, den Uber zum Wachstum zur Verfügung hatte. Es ist kein Zufall, dass die wertvollsten Unternehmen, gemessen am Börsenwert, Digitalkonzerne aus den USA oder China sind. Apple hat sich Platz eins erobert mit 832 Milliarden US Dollar Marktkapitalisierung, gefolgt von Microsoft mit 810 Milliarden. China folgt auf Platz 6 mit Tencent (422 Mrd.), der deutsche Softwarehersteller SAP steht im Verhältnis mit 122 Milliarden nur auf Platz 48.
Ökosysteme fördern Wachstum
Das Instituts der deutschen Wirtschaft (IWF) sieht nur fünf Prozent der aussichtsreichen Plattformunternehmen in Europa beheimatet, kein einziges in Deutschland. Warum? In den USA und China fördern Ökosysteme im Silicon Valley und der Metropolregion Shenzhen im Perlflussdelta gezielt Innovationsbrutkästen, in denen systematisch neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Wer nicht bei drei auf dem Baum ist und aussichtsreiche Uber-Vergleiche zum Besten gibt, der wird dort mit unbegrenztem Kapital auf Wachstum getrimmt. Außerdem können junge Digitalunternehmen hier schnell auf eine kritische Masse von Kunden kommen, da die eigene Landessprache in einem großen Wirtschaftsraum gesprochen wird. Blöd für Europa mit unseren Sprachunterschieden, rechtlichen Hürden und Regulierungseigenheiten. Die Bundesregierung will drei Milliarden Euro bis 2025 in künstliche Intelligenz investieren, das scheint lächerlich im Vergleich zu China, wo allein Shanghai mehr Investitionen geplant hat und das Land mit seiner schieren Größe Maßstäbe setzt.
Deutschland punktet in der Fläche
Aufgeben? Keine Option. Auch wenn Deutschland ein recht kleiner Spieler ist, wir haben Substanz in der Fläche durch mittelständische Spitzenreiter, die es auf ihrem Gebiet zur Perfektion gebracht haben. Solche Unternehmen bauen auf Vertrauen durch langjährige Geschäftsbeziehungen. Das Ziel der Bundesregierung, das Wettbewerbsrecht zu modernisieren und rechtliche Grundlage der Digitalwirtschaft zu harmonisieren ist ein wichtiger Hoffnungsschimmer für unser digitales Wachstum. Nicht nur Deutschland, ganz Europa kann näher zusammenstehen und gemeinsame Standards entwickeln, um junge Geschäftsmodelle schneller im Europäischen Heimatmarkt wachsen lassen zu können.
Daten teilen erfordert Vertrauen
Europäische Unternehmen und Staaten, die qualitativ hochwertige Datensätze brauchen, können damit anfangen, selbst mehr Daten zur Verfügung zu stellen. Vorsicht ist berechtigt aber nicht überall angebracht, denn viele Geschäftsmodelle arbeiten nicht mit personalisierten Details, sondern mit Metadaten wie anonymisierten Verkehrsdaten. Dienste, die künstliche Intelligenz nutzen, werden mit jedem Benutzer besser, mit dem Klick für den lernenden Algorithmus. Auch wir als Nutzer und Kunden sind gefragt, die eigene Wirtschaft zu unterstützen, indem wir unsere Daten mit denen teilen, denen wir vertrauen statt gedankenlos „accept“ zu klicken, wenn uns geschlossene Netzwerke aus den USA fragen, ob wir mit ihren Nutzungsbedingungen einverstanden sind. Investoren könnten mutiger werden, die digitale Wirtschaft zu unterstützen, da die Mittel der Politik allein nicht reichen werden. Dann jammern wir nicht mehr über den nächsten KUKA-Fall, wenn wieder ein europäischer Roboterhersteller von China aufgekauft wurde, sondern feiern eigene Wachstumsgeschichten. Wir können jetzt Fahrt aufnehmen in der Digitalisierung und vor allem der Förderung von künstlicher Intelligenz. Das ist allemal einfacher, als später Versäumnisse aufzuholen. Dann müssen wir bei der nächsten „WirsinddasUberder….“-Geschichte nicht mehr verzweifelt gähnen sondern können wohlwollend lächeln.