Wie Digitalisierung trotz externer Berater gelingt.
Überflutet von externen Beratern zucken interne Transformationsmanager in der Digitalisierung gelegentlich mit den Schultern. Manch einer fragt sich dann, ob er dem Phänomen des Propheten im eigenen Land zum Opfer gefallen ist, da ihm der Geschäftsführer wieder eine neue Truppe externe Heilsbringer an die Seite stellt. Wenn es mit der Digitalisierung im Unternehmen nicht schnell genug vorangeht, greifen viele Geschäftsführer und Vorstände zum externen Turbo. Im Gespräch mit diesen Auftraggebern höre ich oft Argumente wie „bei uns sitzen zu viele Bremser“ oder „das Mindset hier ist noch von vorgestern“. Der Frust ist verständlich, auch auf dieser Seite des Tisches, denn rund 80 Prozent der Digitalisierungsprojekte dümpeln erfolglos vor sich hin oder werden beerdigt. Oft stehen die Top-Manager unter Druck, da sie ihre Vorzeigeprojekte groß präsentiert und ihren Anteilseignern oder Aufsichtsräten als „heißen Scheiss“ verkauft haben. Externe Berater sollen es nun richten, „Zug reinbringen“ oder die Infrarotlampen aufhängen, damit die Samen schneller wachsen. Digitalisierung aus eigener Kraft – zum Scheitern verurteilt?
Digitaler Wildwuchs
Wenn Digitalisierung im Unternehmen krankt, dann meist nicht an fehlender Begeisterung, Know-how oder Ideen. Aktionismus verstellt den Blick und zu viele Baustellen gleichzeitig führen zu digitalem Wildwuchs. Unzählige Pilotprojekte, die parallel getrieben werden, haben keine Chance auch schnelles Wachstum. Es fehlt vor allem an Fokus und gemeinsamer Anstrengung. Gelegentlich erschweren Zielkonflikte den Fortschritt, wenn einzelne Units sich positionieren wollen mit digitalen Leuchttürmen und gegeneinander arbeiten oder abteilungsfremde Initiativen nicht unterstützen: Nach dem Motto „no invented here“. In vielen Unternehmen sieht die Digitalisierungslandkarte von oben aus, wie eine unkontrolliert wachsende Siedlung in Indien. Solange die Initiativen nicht miteinander verknüpft sind und einem großen Ziel, einer Visio folgen, wird es schwer, nachhaltige Erfolge zu sehen.
Mangelware Führung
Zurück zu den vermeintlichen Bremsern in der Mitarbeiterschaft: Aktuelle Studien zeigen, dass es nicht die Haltung der Mitarbeiter ist, die Digitalisierung verhindert. So spricht eine Accenture Studie von 84 Prozent Befürwortern unter den Mitarbeitern, die glauben, dass digitale Technologie ihre Jobs positiv beeinflussen wird. Aus unserer Erfahrung in Beratungsprojekten hängt es häufig an Kommunikation und Führung:
- Wenn Mitarbeiter die große Story nicht kennen, nicht wissen, was drinsteckt für die gemeinsame Zukunft und den eigenen Job, dann bewegt sich nicht viel.
- Wenn Führungskräfte nicht selbst für die Veränderung brennen, können sie schwerlich andere anzünden.
- Wenn nicht genug Experten im Management sitzen, die digitale Geschäftsmodelle denken können und ein agiles Mindset vorleben, dann fehlt es an Vorbildern.
Berater entknoten
Das lässt sich nicht allein durch externe Berater lösen. Sie können einen wertvollen Beitrag leisten, interne Knoten zu entwirren. Knoten, deren Fäden auf den verschiedensten Ebenen zu verorten sind. Je komplexer die digitale Landkarte, desto
- mehr Einflussfaktoren wirken auf die digitalen Projekte
- mehr potenzielle Auswirken belasten das Gesamtsystem
- mehr Personengruppen und Stakeholder müssen integriert werden
- mehr Orientierung brauchten die Mitarbeiter
Solche systematischen Sollbruchstellen, wechselseitigen Abhängigkeiten und politischen Zielkonflikten zu sehen, das gelingt jenen leichter, die nicht Teil der Organisation sind. Externe Berater, die antreten, um gordische Knoten aufzulösen, statt externe Weisheit an der Warenannahme abzukippen, zeichnen Landkarten nach:
- Wofür sind die Kunden dieser Organisation übermorgen noch bereit zu bezahlen und wie kann Digitalisierung auf dem Weg dorthin unterstützen?
- Wie sieht das Zielbild aus, um im Team Leidenschaft für den Weg zu entfesseln?
- Welche Digitalstrategien liegen schon in der Schublade und woran hängt es in der Umsetzung?
- Wie sehen die Rahmenbedingungen für Digitalprojekte im Unternehmen aus?
- Welche Interdependenz und Abhängigkeiten gilt es zu beachten=
- Welche Interventionen wären möglich, um das Digitalisierungsziel noch bzw. schneller zu erreichen?
- Was wären die potenziellen Konsequenzen jeder möglichen Interventionen?
- Mit welchen Konflikten/Problemen müssen wir in den verschiedenen Unternehmensbereichen rechnen und wie ließen sich diese lösen?
- Was benötigen die Führungskräfte, um den Weg mit Begeisterung und dem richtigen Handwerkzeug zu begleiten?
Der letzte Punkt erreicht den Skeptiker, der zu Beginn mit den Schultern gezuckt hat, wenn ein neuer Berater vor ihm steht. Wenn Beratung als Befähigung ernst gemeint ist, dann entsteht Vertrauen. Vertrauen, den Propheten zu folgen.