Wie bereits berichtet, hatte Moebel Digit@l auf dem IWOfurn Summit im November 2022 die Gelegenheit, auf der Eventbühne zu stehen, um noch mehr Branchenteilnehmern die Wissensplattform für Digitalisierungsthemen in der Möbelbranche vorzustellen. Auch unser Medienpartner „MÖBELMARKT“ war vor Ort und hat über das Event berichtet:
Das IWOfurn Summit ist schon seit vielen Jahren der zentrale Treffpunkt für den Wissensaustausch zu allen digitalen Themen in der Möbelbranche. Und daran ändern auch die Zwangspause durch die Corona-Pandemie sowie die Fusion des Digital-Dienstleisters mit dem Partnerunternehmen Integrated Worlds nichts – im Gegenteil. Das IWOfurn Summit 2022 im Kölner Bauwerk war ein überaus spannendes und zukunftsweisendes Event, das nicht nur den Ist-Zustand in der Branche beschrieben hat, sondern auch einen Blick in die Zukunft geworfen hat, der klar macht: Es wird immer digitaler, und davon können alle Marktteilnehmer profitieren – wenn sie an einem Strang ziehen.
Unter dem Motto „Big Three der Digitalisierung“ hatte IWOfurn mehr als 15 Sprecher zusammengebracht, die mit den rund 100 Gästen die drei großen Themenkomplexe „Prozessexzellenz: Von Konzepten und Herausforderungen aus der Praxis lernen“, „Big Data & KI: Daten intelligent und gewinnbringend nutzen“ sowie „Zukunftswissen: Mit gemeinsamem Konw-how die Digitalisierung von morgen meistern“ diskutierten. Ganz deutlich wurde bei der von Sascha Tapken (Home Made Storys) moderierten Veranstaltung, wie umfassend die Digitalisierung sich in alle Bereiche der Arbeit rund um das Thema Möbel ausbreitet. Neben gemeinsamen Datenstandards und dem elektronischen Datenaustausch werden auch Themen wie Big Data, also die optimale Nutzung der vorhandenen Daten, sowie Künstliche Intelligenz (KI) eine entscheidende Rolle beim wirtschaftlichen Erfolg in der Zukunft spielen. Es geht nicht mehr darum, ob man sich diesen Themen öffnet, sondern wie man sie für sein eigenes Geschäftsmodell am besten nutzt und wer sich dabei als Erster einen Vorsprung vor der Konkurrenz sichert.
Daten sind das digitale Gold
Integrated-Worlds-Geschäftsführer Dietmar Weber erinnerte zur Begrüßung daran, dass es vor 25 Jahren, als IWOfurn mit der Entwicklung von EDI-Standards (EDI = Electronic Data Interchange“) für die Möbelbranche begonnen hat, noch nicht einmal Wikipedia gegeben habe. Viel hat sich seitdem verändert: „Aber die Argumente für den elektronischen Datenaustausch sind geblieben. Es spart Zeit und Kosten, steigert die Effizienz und vermeidet Fehler.“ Für die Zukunft sei es wichtig, dass man Daten, die einmal für einen bestimmten Zweck erzeugt worden seien, auch für ganz andere Prozesse nutzen könne, als ursprünglich gedacht. In einer beeindruckenden Keynote machte Verena Fink, Inhaberin der Digitalisierungsberatung Woodpecker Finch, den Teilnehmern deutlich: „Daten sind das digitale Gold, das jeder in seinem Vorgarten hat!“ Die bekennende Zukunftsoptimistin und KI-Expertin verwies auf die Internetgiganten, die bereits heute ihr Geschäft auf künstlicher Intelligenz gründeten. In Deutschland würde viel gute Grundlagenforschung betrieben, bei der Umsetzung dieser Grundlagen in erfolgreiche Geschäftsmodelle sei man allerdings nicht so gut. Doch Fink sah auch positive Beispiele in der Möbelbranche, in der technikgetriebene Start-up-Unternehmen wie „Apartmen“, „Kitchenadvisor“, „Tylko“, „NV Gallery“ oder „Adaprionlab“ und weitere die B2B-Mechanismen der großen Plattformen auf die Möbelindustrie übertrugen. Ihr Fazit: „Die Einführung von KI im Unternehmen ist keine Summe von Einzelentscheidungen, sondern von IT-Infrastruktur! Dabei ist die KI natürlich nur so potent wie die Daten, mit der ich sie füttere.“
Eine Standortbestimmung
Wer fragt, wo es hingehen soll, muss zunächst einmal wissen, wo er herkommt. Folgerichtung war der erste Themenblock „Prozessexzellenz:
Von Konzepten und Herausforderungen aus der Praxis lernen“ auch eine Standortbestimmung. Dabei berichtete Dr. Carsten Seeliger (Nolte Möbel) über die gerade umgesetzte, zwingend nötige und zugleich auch anstrengende SAP-Einführung bei dem Tradtionshersteller, während Werner Herrmann von den Schüller Möbelwerken die digitale Transformation in der Küchenbranche bereits seid rund 40 Jahren als IT-Leiter begleitet hat und aus eigener Erfahrung weiß, warum EDI heute so wichtig ist: „Unternehmen sind heute sehr voneinander abhängig. Probleme in der Lieferkette führen schnell zu Schneeball-Effekten.“ Deswegen setzt Schüller nicht nur in der Kommunikation mit seinen Handelskunden auf EDI, sondern auch bei der Kommunikation mit den Lieferanten. Tobias van der Linden (Home 24) berichtete den Teilnehmern von der Einführung des Marktplatzsystems auf der Plattform, die gezeigt hat, wie wichtig gute Produkt-Daten sind. Denn manche Produkte werden von Home 24 selbst und von externen Händlern gleichzeitig angeboten, wodurch auch unterschiedliche Datenquellen und eben unterschiedliche Daten für dasselbe Produkt zum Einsatz kommen: „Eine große Herausforderung“, so van der Linden. Heiko Hufenbach vom Logistik-Dienstleister Hermes verwies mit Blick auf den Unternehmensslogan: „Wir liefern Begeisterung – aber das geht ohne Daten gar nicht!“ Denn über App und Online soll der Kunde immer den Überblick haben, wo seine Sendung gerade ist – was wiederum auch dem Handel hilft, da unnötige Rückfragen so wegfallen und die Kundenzufriedenheit erhöht wird. Nicolas Martin vom Möbel-Filialist Möbel Martin zeigte
den Nachholbedarf, den die Möbelbranche in Sachen Datengenerierung und Datenaustausch mit ihrer hochgradig individualisierbaren Ware noch hat. So liefen bisher in seinem Unternehmen nur 21% (Küchen: 41%) der Möbelbestellungen über EDI, sogar nur 15% der Auftragsbestätigungen (Küchen 41%) und 9% der Rechnungen (Küche 21%) über EDI. Gleichzeitig liegt die Liefertreue durch die Industrie laut AB bei gerade einmal 38%: „Im Grunde kann man sagen, dass ein Drittel der Ware zu früh kommt und ein Drittel zu spät. Und das, wo der Endverbraucher, verwöhnt durch Amazon, maximale Transparenz und alle Produkte möglichst sofort erwartet.“ Die Schwierigkeiten in der Branche sind seiner Auffassung nach auch der Sortiments- und Modellpolitik geschuldet: „Wir schaffen unsere Probleme selbst, indem wir die Komplexität maximal aufblasen.“
EU-Green-Deal treibt die Branche zur Eile an
In wie vielen Bereichen das Thema Datensammlung und Datenverarbeitung, auch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, eine Rolle spielt, zeigte der zweite Themenblock. Jan Kurth, Geschäftsführer von VDM und VHK Herford, demonstrierte, wie allein bei den Statistiken der beiden Verbände verschiedene Daten aus verschiedenen Quellen für ganz unterschiedliche Betrachtungsweisen der Branchenlage herangezogen werden – von der Volkswirtschaft über die Konsumforschung bis zur Auftragseingangsstatistik beschäftigt man sich hier schon lange mit Branchendaten: „Aber reicht das alles? Nein, es werden noch viele Themen hinzukommen, die wir mit unseren aktuellen Daten nicht abbilden können“, so Kurth. Gerade beim großen Thema Kreislaufwirtschaft werden seiner Ansicht nach viele neue Daten für einen digitalen Produkt-Pass erhoben werden müssen, damit dieser von allen genutzt werden kann. Dem stimmte im Im Block „Zukunftswissen“ auch Dr. Olaf Plümer, Geschäftsführer des DCC, zu: „Das ist ein relativ frisches Thema, mit dem wir uns unbedingt beschäftigen müssen, denn die Circular Economy ist Teil des Green Deal der EU, der für uns alle neue Anforderungen stellt“, so Plümer. Letztlich könne es dabei nur eine Branchenlösung geben, die für die gesamte Industrie in der EU machbar ist: „Und diese Lösung muss bis 2026 fertig sein“, mahnte er zur Eile und zur Geschlossenheit aller Partner.
Schnell und flexibel Neues entwickeln
Einen ganz anderen Blick aus dem Handel bot Sebastian Moos den Teilnehmern des Summit. Moos ist seit drei Jahren Chief Digital Officer beim Einkaufsverband
Einrichtungspartnerring VME und arbeitet mit seinem Team an der Modernisierung der IT-Landschaft im gesamten Verbund – von der Verbandszentrale bis zu den Mitgliedsunternehmen. Eine Mammut-Aufgabe, denn: „Im nächsten Jahr werden wir dann wirklich alle EDV- und Softwaretools ausgetauscht haben, die es bisher bei uns gab.“ Um der Bedeutung der vielen Daten, die beim Verband und den Mitgliedern anfallen, gerecht zu werden, setzt Moos auf einen sogenannten „Data Lake“, also eine Sammlung, in die alle Daten zentral einfließen und aus der man für diese für verschiedenste Anwendungen wieder heraus ziehen kann. Diese Sammlung wurde mit Microsoft Azure erstellt, genau wie zwei unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten für Lösungen: „Mit Microsoft Power BI können wir schnell und flexibel Dinge entwickeln und ausprobieren. Wenn unsere Idee funktioniert, wird sie über ein Web-Frontend anwenderfreundlich umgesetzt.“ Die Händler und die Endkunden profitierten von den neuen Lösungen gleichermaßen. So gibt „VME Fast Furnitur“ an die verschiedenen Systeme und Plattformen Informationen über Lieferbestände und Lieferzeiten. Damit weiß der Kunde, der sich im Netz informiert genau, in welchem Haus beispielsweise ein bestimmter Stuhl wie oft und in welcher Farbe verfügbar ist. Patrick Sönke, Geschäftsführer von Integrated Worlds, sieht im Nutzbarmachen von an verschiedenen Stellen vorhandenen Daten ebenfalls eine wichtige Zukunftsaufgabe von Industrie, Handel und Dienstleistern. Aber: „Bei Daten geht es geht es auch um Vertrauen“, weiß Sönke um die Probleme beim Zusammenführen dieser Daten aus unterschiedlichen Quellen. „Wir brauchen mittelstandstaugliche Modelle und Services für eine kollaborative Plattform zum Datenaustausch.“
Von KI und Basiswissen
Was künstliche Intelligenz mit eben solchen bereits vorliegenden Daten auch für die Möbelindustrie leisten kann, zeigte Michael Kaluza von Integrated Worlds auf. Er hat mit einem durch „Mittelstand 4.0“ und Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt ein KI-Modell entwickelt, das anhand bisheriger Bestell- und Lieferdaten die Lieferzeit bei zukünftigen Orders erstaunlich genau prognostizieren kann. So faszinierend diese neuen Möglichkeiten auch sind: „Es fehlt noch viel Knowhow bei Basisthemen“ so Integrated Worlds Geschäftsführer Klaus Bröhl mit Blick auf die vielen Themen, die gerade auf den Mittelstand einprasseln. Für Unternehmen, die wissen wollen, wie gut sie eigentlich in Bereich Digitalisierung aufgestellt sind und wo sie sich noch verbessern können, hat das DCC gemeinsam mit dem Experten für Logistik, Handel und Digitalisierung, Prof. Nektarios Bakakis, den „DCC Digitalindex“ entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Self Assessment, das im
ersten Step der Möbelindustrie offensteht, aber auch für Handel und Logistik
denkbar wäre. Wer als Unternehmen teilnimmt und sich selber regelmäßig
überprüft, erhält so nicht nur eine Standortbestimmung, wo er innerhalb des Branchen-Benchmarks selber steht, sondern kann eben auch Verbesserungs-potenziale identifizieren und seine Wertschöpfung durch mehr Digitalisierung
verbessern. Grundsätzlich über alle Neuigkeiten rund um die digitalen Entwicklungen in der Möbelbranche berichtet die Plattform „Moebel Digital“ neutral und werbefrei im Internet und auf LinkedIn. Auf Initiative von ZGV, BVDM, DCC, VDM und IWOfurn werden hier Informationen gesammelt, für alle zugänglich gemacht und auch online diskutiert – gut für den Wissensaustausch bis zum nächsten IWOfurn Summit in zwei Jahren.
Quelle: MÖBELMARKT Ausgabe 12/2022
Autor: Arnd Schwarze