Mehr Mut bei der dritten Dimension – Beitrag im möbelfertigung Magazin

Als Teilbereich der Additiven Fertigung erschließt sich der 3D-Druck Stück für Stück die produzierende Industrie. In jüngster Zeit beeinflusst exponentielle technologische Entwicklung und die Dominanz des Internets fast alle Branchen und Geschäftsmodelle. Wie verändert sich dadurch die Rolle von Möbeln als Ausdruck von Ideen, Lebensstil von Individuen und Gesellschaften?

Auch Möbel folgen dem technologischen Trend, vom Entwurf über die Herstellung bis zum Verkaufsprozess. Anbieter suchen den direkten Draht zum Endkonsumenten. Wie sich in der Möbelindustrie auf diesem Feld Kreativität skalieren lässt, das wurde mir zuletzt deutlich als ich über Bits & Parts gestolpert bin. Das junge Unternehmen aus Amsterdam setzt kleine 3D-Drucker und CNC-Fräsmaschinen ein, um erschwingliche Möbel in Originalgröße herzustellen, die für alle zugänglich sind. Beworben wird der Kinderpuzzlestuhl „P39“, den jedermann mit wenigen Klicks kostenlos herunterladen und zuhause auf einem handelsüblichen 3D-Drucker ausdrucken kann. Jede Komponente ist so klein, dass sie selbst mit den kompaktesten 3D-Geräten gedruckt werden kann und sich wie ein Puzzle zu einem Stuhl zusammenfügen lässt. Bits & Parts möchte so die Herstellung von Möbeln demokratisieren und jedem zugänglich zu machen.

In der Recherche stieß ich auf weitere 3D-Druck- initiativen für Möbel. Besonders plakativ ist das Zero Waste Lab, ein Forschungsprojekt, bei dem griechische Bürger Kunststoffabfälle in Stadtmöbel verwandeln können. In Thessaloniki sollen so öffentliche Räume neu gestaltet werden. Im Sinne von nachhaltiger Ressourcen-Nutzung werden so Abfällen, die sehr umweltschädlich und praktisch unzerstörbar sind, zu Rohmaterial für diese neuen Möbel verarbeitet.

Auch in Brasilien experimentieren Designer mit 3D-Technik in der Stadtentwicklung. Der „Nóize“ Stuhl entstand digital aus der Verschmelzung einer brasilianischen Design-Ikone mit den Straßenge- räuschen von São Paulo. Der Stuhl „Giraffe“ von Lina Bo Bardi, Marcelo Ferraz und Marcelo Suzuki wurde digital in 3D modelliert, in einer exakten Re- produktion seines physischen Vorbildes. Durch die Verschmelzung mit Audiodateien, die in der Straße Santa Ifigênia in der Innenstadt von Sao Paulo gesammelt wurden, wurde das digitale Modell im Anschluss verformt. Die digitale Datei wurde online an einen 3D-Drucker in Belgien übertragen. Die Künstler wollen mit ihrem Manifeststuhl über den Akt des Sitzens hinaus zum Nachdenken anregen.

Nachdenken lässt sich bei solchen Beispielen auch über die Übertragung solcher Anwendungsfälle auf den industriellen Maßstab. Selbst wenn die NASA- Simulationen zum Bau von Stützpunkten auf dem Mars noch weit weg erscheinen, so ist die Ausstattung entlegener Orte heute schon Realität. 3D-Druck wird längst für die Herstellung von Prototypen, die Herstellung exklusiver Möbel und den Druck parametrisierter und organischer Formen eingesetzt. Zeit für mehr Pilotprojekte mit Anspruch an Skalierung und Wirtschaftlichkeit.