Kundenbeziehung auf dem letzter Meter – Kolumne Digital Woodpecker 7/19

Neulich traf ich auf einem Projekt in den USA zwei Freunde zum Abendessen in einem Szene-Restaurant. Das Ambiente war stilvoll, das Personal schick, die Karte aufwändig und das Essen exzellent gewürzt.
Nur der Service endete fad. Unser Kellner nahm den kurzen Weg. Sein Verhalten zum Ende unseres Abends brachte mich zum Nachdenken, warum wir manchmal die letzten Prozent abschneiden im Kontakt und damit die Kundenbeziehung leichtfertig aufs Spiel setzen.

Doch der Reihe nach: Wir wollten bezahlen und der Kellner fragte, ob er die Rechnung auf drei aufteilen soll wie in dieser Szene üblich. Mein Freund Wayne zögerte und bat den Kellner darum, seine teuren Getränke nicht zu splitten, da es ihm unangenehm sei, wenn wir seine Experimentierfreude finanzieren würden. Der Kellner seufzte genervt und sagte knapp, er könne sich nicht erinnern welche Getränke Wayne bestellt hätte und Einzelaufstellungen erhöhten den Tip auf 20 Prozent. Erstaunt blickte ich Wayne an, um herauszufinden ob es sich um einen neuen Trend in der Stadt handelte, das Trinkgeld an administrative Extras zu koppeln. Er verdrehte die Augen und raunte mir zu, das wäre ihm in diesem Laden noch nie passiert. Die Stimmung am Tisch kippte. Seitdem meiden wir das Restaurant konsequent, obwohl der Abend großartig war und das Essen besser als in den anderen angesagten Läden des Viertels. In den folgenden Tagen dachte ich darüber nach, was wohl den Kellner bewegt hatte so zu reagieren. Kurz vor Feierabend kann es besonders nervig sein, noch ein paar Minuten Zeit zu investieren, um eine Rechnung aufzuteilen. Die 20-Prozent-Regel gab es in diesem Lokal nicht. Er hatte sich einfach entschieden, sie für uns einzuführen.

An welchen Stellen sparen wir Zeit auf den letzten Metern? Wo werden wir kurz angebunden am Telefon, an der Tür, im Meeting mit Kunden und Mitarbeitern, wenn noch eine Frage kommt, noch ein Bitte, noch eine Idee?

Wertschätzung bedeutet auch, dem Gegenüber Zeit zu geben. Nochmal etwas erklären, geduldig zuhören, den letzten Einwand behandeln oder einfach eine Rechnung nach Wunsch aufteilen. Mein innerer Effizienzminister ist wach und rebelliert schnell, wenn er Schleifen bemerkt, Wiederholungsschleifen. Das Nachhaltigkeitsministerium lächelt dann milde und legt den Finger an die Lippen. Die Extrameile oder der Extra-Zentimeter lohnt sich, nicht nur für die Beziehung sondern meist auch, um Themen schneller und nachhaltiger abzuschließen. Wenn ich das nächste Mal in der Stadt bin, werde ich dort essen gehen und mir Zeit nehmen für den Kellner.