Staunend ging ich zuletzt durch die neue Bürolandschaft eines großen Medienhauses und fragte mich, ob der Innovationsraum die Kultur verändert und der Plan seiner Architekten aufgehen wird. Wie wirken Räume auf unsere Arbeit? Welche Kommunikationsdefizite in der DNA eines Unternehmens kann der schicke neue Open Space Innovation Hub kompensieren?
Antworten fand ich in einer Studie der Harvard Business School. Die Autoren Bernstein und Turban untersuchten den Einfluss von offener Büroarchitektur auf menschliche Interaktionsmuster. Im Fokus der Untersuchung standen Unternehmen, die traditionelle Büros gegen transparente Architektur eingetauscht hatten auf der Suche nach verstärkter Zusammenarbeit. Die Interaktion ihrer Mitarbeiter wurde mit Hilfe von mobilen Geräten und Kommunikationsanalysen analysiert.
Open Space fördert Abschottung
Verblüffend eindeutig war das Ergebnis: Die persönliche Interaktion ging um 70% Prozent zurück, zugunsten von elektronischem Austausch, der um 20 bis 50% anstieg. Für die Unternehmen war der Schuss nach hinten losgegangen, denn anstatt lebendigen Kontakt über den Schreibtisch hinweg zu fördern, begannen die Kollegen, sich mehr Emails und Kurznachrichten zu schreiben. Im alten Gebäude waren die Kollegen knappe 6 Stunden täglich im Austausch miteinander, nach dem Umzug nur noch ein Drittel der Zeit. Auch Kollegen, die sich im alten und neuen Büro direkt gegenüber saßen, redeten im Open Space deutlich weniger miteinander.
Offene Architektur, so die Forscher, löse hier eine natürliche menschliche Reaktion aus, sich sozial aus dem Büro zurückzuziehen, eine Art Abschottungsreflex.
Der Effekt kann so manchen stolzen Initiatoren bunter Innovation Hubs in großen Unternehmen ernüchtern. Wo keine Kommunikation ist, werden kaum neue Ideen wachsen. Zurück zu Einzelbüros? Kein Option. Innovation erfordert Austausch, je persönlicher, je unmittelbarer, je atmosphärischer desto kreativer. Alle an einen Tisch setzen, wie Investoren im Silicon Valley es mit jungen Gründerteams praktizieren? Auch das lässt sich im status-bewussten Konzernumfeld schwerlich realisieren.
Kreative werden selbst kreativ
Ich denke nach, wo ich die kreativsten Teams erlebe. Es sind die unperfekten Arbeitsräume, die umgewidmeten Möbelelemente, die praktifizierten Innovationsneubauten: Eine fensterlose Besprechungsbox, die monatelang leer stand und vom Team kurzerhand zum Powernap-Würfel umgebaut wurde. Der große Tapeziertisch in der Küche, an dem die wichtigsten Ideen reifen. Das trockengelegte Bällebad im Innovationhub, in dessen Wanne heute Protoypen getestet werden. Die Freifläche im Design Thinking Tempel, von der die Legokisten verschwunden sind zugunsten von selbstorganisiertem After-Work-Fußball.
Selbst gestalten ist angesagt, wenn es lebendig werden soll. Statt fertiger Worktainment Landschaften überambitionierter Space Manager könnte eine Ikea-Version des Märklin Baukastens die Teams fordern, ihre Räume selbst zu bespielen. Räume, die ihre individuellen Nutzerbedürfnisse erfüllen, von Plaudermomenten über Brainstorming Sessions und konzentrierter Einzelarbeit bis zum kreativen Regenerationsschlaf. Dann klappt’s auch mit der Kreativität. Im Medienhaus jedenfalls freuen sich die Initiatoren noch über jungfräulich schickes Kreativdesign. Ich bin gespannt, was der Praxistest in zwei Jahren davon übrig lassen wird.