Kontrolle vs. Reichweite – Beitrag im buchreport Magazin

Kontrolle vs. Reichweite – Beitrag im buchreport Magazin

Verlage, die ihre Produkte direkt vermarkten wollen, müssen 1. Kundendaten sammeln und zu Kundenprofilen aufbereiten, um 2. dann sehr gezielt ihr Marketing zu personalisieren. In diesem 3. Teil geht es darum, welche Art von Shop angebunden wird: Welche Rolle spielt die Infrastruktur im Direktvertrieb? Welche Vorteile kann ein eigener Shop haben? Und wann lohnt es, über Alternativen nachzudenken.

Die Möglichkeit, rund um die Uhr bequem von überall Bücher zu bestellen, ist nicht zuletzt durch COVID-19 befeuert worden, weil viele Kunden in diesen Tagen gerne auf die Warteschlange vor der Kasse im stationären Handel verzichten.

Aus Vertriebssicht der Verlage führen zwei Wege zum Online-Verkauf: Erstens über Plattformen und Marktplätze, also via Online-Shops und digitale Kioske, um deren Reichweite zu nutzen. Zweitens auf den eigenen und damit exklusiven Online-Shop setzen. Welche digitale Plattform und welches Geschäftsmodell bringen die eigenen Inhalte möglichst gewinnbringend an die Leser?

Volle Kontrolle mit eigenem Online-Shop

Die zusätzliche Reichweite der Plattformen und Marktplätze wird mit Marge bezahlt und: mit dem Verlust des direkten Kundentkontakts.

Warum sollte ich Kontrolle, Gewinn und Kundendaten mit einer Plattform teilen? Diese Frage stellte mir kürzlich ein Verleger auf dem Weg zum ersten Online-Shop. Im eigenen Shop, so seine Perspektive, kann das gesamte Verlagssortiment im Vergleich zum stationären Handel detailliert präsentiert werden. Leser profitieren auf diesem Weg von der größeren Auswahl und Informationstiefe.

Der Anbieter erweitert auf diesem Weg nicht nur sein Vertriebsgebiet, sondern auch seine Zielgruppe. Eine Liste an Vorteilen lässt sich leicht aufschreiben:

  • Die Verlage haben mehr Kontrolle über ihre Produkte, sie können ihre Zielgrup-pen direkt und personalisiert ansprechen und bessere Margen erzielen.
  • Das eigene Netzwerk kann als Multiplikator dienen und gleichzeitig die Reichweite steigern.
  • Durch den eigenen Online-Shop kann der Verlag selbst entscheiden, wo und wie er seine Inhalte präsentiert.
  • Die Präsentation der Inhalte kann auf Conversion (Kaufabschluss) hin optimiert werden, wenn Angebote zu bestimmten Stoßzeiten aktiv promotet werden.
  • Die Erlöse müssen nicht mit einem Mittler geteilt werden.

Ein gern genanntes Vorbild für einen solchen Direktvertrieb über die eigene E-Commerce Plattform ist die Fachverlagsgruppe Ebner Media. Mit dem Ziel, seine hohe Reichweite in den B2B- und Special-Interest Zielgruppen auch in Mehrgeschäft umzuwandeln, verkauft der Verlag heute über einen eigenen Online-Shop all seine Produkte: Von Büchern über Zeitschriften und Tickets bis hin zu digitalen Downloads und E-Books.

Shop-Software für Verlage: Cloud-Services

Wer dem Ebner-Beispiel folgt und einen eigenen Onlineshop aufbauen will, muss abwägen, wie viel Individualisierung nötig ist und wo Standardlösungen ausreichen, um den Aufwand in der Entwicklung zu reduzieren. Viele Verlage greifen auf Systeme zurück, die bereits passend für die Branche entwickelt worden sind. Meist wird eine E-Commerce-Lösung in der Cloud genutzt, statt sich das System ins Unternehmen zu holen. Weil vielen Verlagen sowohl Know-how, also auch Ressourcen und Zeit für Entwicklung, Installation und Betrieb fehlen, ist eine standardisierte Software-Lösung vielfach die bessere Wahl. Diese wird in einer Cloud gehostet und kann schnell ohne hohe Investitionen und Implementierungsaufwand genutzt werden. Der Verlag kann die Service- und Supportleistungen des Anbieters mitnutzen und oft auch eigene Produkte zusätzlich über den Marktplatz des Anbieters vertreiben, was mehr Reichweite ohne zusätzliche Kosten bringt.

Kundendaten im eigenen Online-Shop

Trotz der auf den ersten Blick einfachen Lösung von der Stange ist damit viel Vorarbeit verbunden: Basis jedes Online-Projekts sollten die Kunden- und Nutzungsdaten sein, die der Verlag sammelt und auswertet. Für E-Commerce Experten ist dies längst Standard, doch für viele manches Verlagsunternehmen noch keine Selbstverständlichkeit. Daten zum Kundenverhalten sowie Analysen zu Online-Potenzialen von Sortimenten und Preisstrategie bieten eine saubere Grundlage, um den Business Case für einen Shop zu rechnen. Die Erfolgsformel setzt sich im Online-Handel meist zusammen aus drei Faktoren: Relevanz, Verfügbarkeit und Preis. Je weiter fortgeschritten das eigene CRM-System, desto leichter lässt sich ermitteln, was für welche Lesergruppen online relevant ist. Mittels Datenanalyse kann der Verlag sein Online-Angebot individueller auf den Leser zuschneiden und neben den Inhalten auch die Social Media Vermarktung und SEO optimieren. Die Mühe lohnt sich mit oder ohne Onlineshop, denn durch die individuelle Kundenansprache und relevantere Informationsversorgung wird Vertrauen zum Verlag und damit die Bindung gestärkt. Persönliche Tipps und Empfehlungen, die zum Einkaufs- und Suchverhalten passen, steigern nachweislich den Warenkorbwert.

Onlineshop oder Marktplatz?

Die Datenarbeit für den Business Case eines Onlineshops bringt nicht selten auch die wertvolle Klarheit, einen anderen Weg zu gehen. Manch einer erkennt, dass der Return-on-Invest aufgrund seines Sortiments schwer zu erreichen ist oder beobachtet, dass sich seine Zielgruppe vor allem in geschlossenen Ökosystemen wie im Publikumsmarkt Amazon bewegt. Dann lohnt sich die Prüfung der Kooperation mit Marktplätzen. Auf der Pro-Seite stehen geringerer Zeitaufwand und weniger Einstiegshürden. Statt hoher Investitionen können Verlage die bestehende Infrastruktur von Plattformen nutzen, direkt starten und somit schneller Gewinne erzielen. Auch das Argument der Reichweite spricht für den Marktplatz, da dieser deutlich bekannter ist als jeder neue Onlineshop zum Start. Für entsprechende Reichweite müssten Betreiber eines eigenen Shops zunächst hohe Summen in das Marketing und Neukundenakquise stecken. Dies fällt bei einer Plattform weg, dafür bezahlt der Verlag mit Verlust von Kontrolle und Marge. Kundenbeziehungen und die Entwicklung der eigenen Bestandskunden fällt auf der fremden Plattform ungleich schwerer, wo Nutzer oft nur den Namen der Plattform, nicht aber den des Verkäufers erinnern.

Sowohl als auch im Multikanal

Die Frage, ob eigener Online-Shop oder Plattform-Lösung ist also nicht pauschal zu beantworten, denn für jeden Verlag wird die Antwort etwas anders aussehen. Geht es etwa um B2C oder um B2B, wo die Kundenbindung eine professionelle Basis hat und die Marktplätze einschlägig. Im Idealfall wird aus dem entweder-oder ein sowohl-als-auch. Wer beide Vertriebswege abklopft und mit Testballons auf Wirksamkeit überprüft, wird möglicherweise beide Welten kombinieren. Verlage können sich auf die Suche machen, wo ihre Zielgruppe zu finden und am besten anzusprechen ist. Dies vereinfacht oftmals die Entscheidung und hilft auf dem Weg zur Lösung.

So kann ein digitaler Online-Kiosk wie Blendle für Journalismus-Verlage die richtige Plattform sein, während andere ihre Nischen-Zielgruppe im eigenen Online- Shop zur lebendigen Community entwickeln. Vielfach empfiehlt sich, über Amazon oder ähnliche Kanäle in das Online- Geschäft einzusteigen, um die Grundlagen zu lernen. Auf Basis solcher Testreihen lässt sich anschließend ein eigener Online-Shop mit mehr Geling-Garantie aufzubauen. Multikanal-Strategien sind im E-Commerce beliebt. So kombinieren Verlage verschiedene Vertriebswege wie den eigenen Online-Shop, Social-Media-Plattformen und digitale Kioske wie Blende, um ihre Kunden rumdum zu erreichen.