KI-basierte Prozessoptimierung – Ein Gastbeitrag von Verena Fink im Möbelfertigung Magazin

KI-basierte Prozessoptimierung statt ChatGPT im deutschen Mittelstand

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, warnte kürzlich vor wirtschaftlichen Verwerfungen in Deutschland,

wenn die deutsche Automobilindustrie zunehmend ins Hintertreffen gerät. Es werden nicht alle Unternehmen überleben, so Wolf, einige seien zu spät dran.

Bis dahin stimme ich ihm zu, doch über einen Nebensatz musste ich mich sehr wundern: Seine Hoffnungen auf Künstliche Intelligenz seien begrenzt. „KI wird sicher manche Routinearbeit

erledigen können. Aber so eindrucksvoll die eine oder Anwendung auch sein mag: ChatGPT stanzt mir keine Dichtungen“, so Wolf gegenüber der Funke-Mediengruppe.

Genau das Gegenteil habe ich heute auf einem Panel diskutiert. In einem großen KI-Projekt namens SPAICER vom DFKI, gefördert vom Bundesministerium

für Wirtschaft und Klimaschutz und mit dem DLR als Projektträger ging es um ki-basierte Prozessoptimierung für mehr Resilienz im deutschen Mittelstand. Prof. Wolfgang Maaß der Projektleiter sagte, wenn die Unternehmer immer noch „im Blech denken“, dann werden

sie es schwer haben, ihre Fertigung wettbewerbsfähig weiterzuentwickeln.

Bei SPAICER haben 14 Projektpartner echte Use Cases zu skalierbaren, adaptiven Produktionssystemen durch KI-basierte Resilienzoptimierung entwickelt.

Beispielhaft zwei Use Cases kurz erklärt

Die Halbzeugindustrie und Digital Coil bei der Mendritzki Holding GmbH & Co. KG.

Mendritzki ist unter anderem in der Produktion von Kupplungslamellen involviert, die in Automatikgetrieben eingesetzt werden. Diese werden in riesigen Mengen hergestellt und zählen zu den so genannten Cent-Artikeln.

Ein zentraler Qualitätsparameter dieser Artikel ist ihre Ebenheit, die stark variieren kann, je nachdem, welcher Stahltyp verwendet wird. Die Produktionsprozesse müssen deshalb kontinuierlich an diese Schwankungen angepasst werden.

Zur Analyse des verwendeten Materials wird ein magnetisches Untersuchungsverfahren eingesetzt. Dieses generiert ein einzigartiges magnetisches Profil, das von einem Metallurgen nicht mehr entschlüsselt werden kann,

jedoch durch eine Künstliche Intelligenz (KI)! Dieses KI-gestützte Prozessmodell kann vorhersagen, welche Ebenheit das Endprodukt aufweisen wird und wie die Produktionsparameter entsprechend eingestellt werden müssen.

In diesem Zusammenhang haben Mendritzki und ihr Kunde Feintool Daten gemeinsam genutzt, um zu demonstrieren, wie maschinelles Lernen auf Grundlage der magnetischen Daten funktionieren kann.

Die notwendigen Elemente dieses Prozesses sind Daten, ein Prozessmodell und KI-Techniken. Der Nutzen steckt in reduzierten Ausfallzeiten, besserer Produktqualität und Übertragbarkeit auf andere Lieferanten.

KI-gestützte Anomalie-Erkennung bei der SCHOTT AG

Im Kontext des SPAICER-Projekts wurde auch eine KI-gestützte Anomalie-Erkennung und mehrere Monate in einer Produktionsanlage von SCHOTT erprobt. Die Schott AG ist

ein internationaler Technologiekonzern, der vor allem für die Herstellung von Spezialglas und Glaskeramik bekannt ist.

Die Anomalie-Erkennung kann in vielen Branchen eingesetzt werden und ist besonders wirksam in der Prozess Industrie. In diesem Bereich sind zahlreiche Prozessstufen miteinander verknüpft und voneinander abhängig. Die Produktionsanlagen

enthalten viele Bauteile, die aktuell nicht leicht zugänglich sind und rund um die Uhr in Betrieb sind. Wartungsarbeiten und Reparaturen müssen sorgfältig geplant werden, da Störungen oder unkontrollierte Ausfälle durch die Verknüpfung der vielen Prozesse

zu erheblichen Schäden führen können. Ein Paradebeispiel hierfür ist die Glasindustrie, in der die Temperaturen in den Glasschmelzwannen bis zu 1700 °C erreichen und unmittelbar darauf Formgebungs- und kontrollierte Kühlprozesse folgen. Eine solche Produktion

wird von mehreren 100 Sensoren überwacht. Mit der KI-gestützten Anomalie Erkennung lassen sich Abweichungen außerhalb des normalen Prozessschwankungsbereichs feststellen, noch bevor es zu Schäden an Bauteilen kommt. Insbesondere schleichende Veränderungen,

die durch die Überwachung einzelner Sensoren nicht erkannt werden, werden durch die KI-gestützte Anomalie- Erkennung aufgedeckt. Dies ermöglicht rechtzeitige Maßnahmen, um Störungen oder sogar Produktionsausfälle zu vermeiden. Die Testphase verlief so erfolgreich,

dass nun die Anwendung auf weitere Produktionsanlagen vorgesehen ist.

Zuversicht geben mir genau solche Projekte an der Schnittstelle von Forschung und KMU. Natürlich brauchen wir für die Möbelindustrie keine Large Language Models wie ChatGPT, aber

KI-Technologie für datenbasierte Prozessoptimierung sollten wir jetzt aktiv angehen.