Entschleunigung durch COVID-19? Manch einer von Ihnen hat sie vielleicht erlebt, die beglückende Erfahrung. Wer vom aktiven Leben in eine Ruhephase kommt, der kann im Rückzug weiter blicken und tiefer nachdenken als im Hamsterrad des Alltages. Für viele Ihrer Kunden und Mitarbeiter klingt das vermutlich zynisch, für andere ist es eine mental bedrohliche Konfrontation.
Die psychosozialen Nachwirkungen durch Corona-Erfahrungen werden sich in den kommenden Monaten zeigen. Einen Vorgeschmack bekommen wir beim Blick nach China. Schon im Februar waren in der Stadt Wuhan elf Millionen Menschen in häuslicher Quarantäne. Bei der Telefonhotline eines psychologischen Dienstes beschrieben in dieser Zeit knapp die Hälfte der Anrufer Angst- und Panikzustände, rund 40 Prozent suchten Unterstützung, mit Lähmungs- und Ohnmachtsgefühlen und je ein Fünftel der Anrufer beklagte Schlafstörungen oder psychosoziale Probleme durch familiäre Konflikte und Probleme am Arbeitsplatz Homeoffice. Im Corona-Krisenmanagement geht es auch darum, die schwierige Situation Ihrer Kunden und Mitarbeiter zu verstehen – fernab der eigenen unternehmerischen Nöte. Sie sind als Manager in der nächsten Phase gefragt, Ihre Teams und Ihre Kunden mit ähnlichen Sorgen zu begleiten. Das muss nicht direkt eine Hotline sein mit psychologischem Fachpersonal oder Onlinekurse zur Lebenshilfe. Wem es jetzt gelingt, sich in die Lage der betroffenen Kollegen und Kunden hineinzuversetzen, der kann neben sachorientierten Lösungen im nächsten Schritt auch die psychosoziale Orientierung bieten.
Wenn es die Angst vor dem Virus ist, die uns lähmt oder besser noch die Angst vor der Angst, dann ist es oft das aktive Handeln, das gegen diese Ohnmacht helfen kann. Diese Woche las ich eine E-Mail von einem Service-Agenten aus Rumänien, der seinem Standortleiter schrieb, wie dankbar er sei zu arbeiten. Das gute Gefühl, für den Kunden da sein zu können helfe ihm, mit der sozialen Isolation in der Ausgangssperre umzugehen. Eine Mitarbeiterin im Servicegeschäft für Energiekunden verglich ihre Arbeit mit einer Kassiererin im Lebensmittelgeschäft, „Jetzt bin ich an der Front, wenn die Menschen einen Ansprechpartner brauchen“. Wer ins Tun kommt, der vergisst seine eigenen Ängste.
„Mit Trübsinn können wir das hier nicht gewinnen“, sagte mir gestern ein CDO eines großen Mittelständlers. Hören Sie daher im Service und Vertrieb aufmerksam und empathisch zu, um zunächst Ihr Team zu stabilisieren und befähigen Sie mit dieser Methode auch Ihre Mitarbeiter im Kundenkontakt: Welche Bedürfnisse stecken hinter den geäußerten Sorgen Ihrer Kunden? Welche Ausweichmöglichkeiten fallen Ihnen ein, um diese Bedürfnisse zu befriedigen? In einer Haltung von „Wie bekommen wir das für Sie hin?“ können Sie sowohl in der Kommunikation an Mitarbeiter als auch an Endkunden das Vertrauenskapital in dieser Zeit nähren. Sie haben es selbst in der Hand, im ersten Schritt ihren Mitarbeitern, den Glauben an ihr Unternehmen und tägliches Tun zurückzugeben. Das setzt Energie frei für Handlungshelden, denn die Menschen sind auch in der Digitalisierung unser wichtigstes Gut auf beiden Seiten des Servicekontakts.