In dieser Folge unserer DUB Executive-Interview Reihe DIGITAL WOODPECKER spricht Verena Fink mit Bettina Uhlich, CIO von Evonik.
In der Spezialchemie liegt eine Zukunft in neuen Geschäftsmodellen entlang der Wertschöpfungskette. Die CIO der Evonik Industries AG Bettina Uhlich hilft bei der Transformation und sorgt für leuchtende Augen bei Entwicklern und Anwendern.
DUB Unternehmer-Magazin: Wie verstehen Sie Ihre Mission bei Evonik?
Bettina Uhlich: Digitalisierung ist für mich kein Selbstzweck. Digitalisierung dient den Menschen im Unternehmen. Und sie dient Evonik dabei, unsere Zukunft als globales Industrieunternehmen zu festigen. IT liefert darin die Technologie, Prozesse, Datenmodelle und Plattformen. Unsere Mission in der IT ist es aber auch, unseren Kollegen zu helfen, mit diesen neuen Technologien in ihrem täglichen Arbeitsablauf umzugehen.
Die „Computerwoche“ hebt Sie – neben Tesla – als Positivbeispiel in Sachen Digitalisierung hervor und begründet das mit Ihrer Konsequenz in der IT. Was zeichnet diese Konsequenz aus, um in einem Atemzug mit Tesla-Chef Elon Musk genannt zu werden?
Bettina Uhlich: Wir waren im Team alle überrascht und stolz. Wir sind gut vorbereitet auf die Transformation und haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben eine globale SAP-Plattform und ein globales Warehouse-System aufgebaut sowie unsere Datenbanken auf Hana-Technologie umgestellt. Auf die neue Generation – wir nennen das „NexGen IT“ – sind wir gut vorbereitet. Neben der technologischen Transformation haben wir die Datenhaltung aufgeräumt, Customizing zurückgefahren und tausende Transaktionen, also Programmschritte, abgeschnitten, die nicht mehr gebraucht werden.Denn neben dem Neubau braucht es den Mut zum Wegwerfen.
Die digitale Transformation in der Spezialchemie findet als durch Ausmisten in der IT statt?
Bettina Uhlich: Ja, so schaffen wir Platz für IT-Technologien, die uns neue Geschäftsmodelle eröffnen. Im Zentrum stehen die Daten als digitalisiertes Wissen. Wir werten aus, reichern an und teilen sie auf offenen Eco-Plattformen mit Partnern und Kunden. Daraus entstehen ganz neue Wertschöpfungsströme. Nehmen Sie zum Beispiel Data Analytics in der Nutztierhaltung im Bereich Precision Livestock Farming erweitern wir unser bestehendes Serviceportfolio mit digitalen Lösungen. Mit cloudbasierter Spezialsoftware für Geflügelproduzenten können diese ihre Leistungs- sowie Umgebungsparameter kontrollieren und steuern. Darüber hinaus werden die Produzenten in Zukunft mathematische Modelle von Evonik nutzen können, um nicht nur die Leistung, sondern auch die Tiergesundheit und das Tierwohl zu verbessern.
Von der nächsten Generation Tierzucht zur nächsten Generation IT: Was verbirgt sich hinter Ihrem Programm „NexGen IT“?
Bettina Uhlich: NextGen IT ist für uns der strategische Rahmen für Innovationen in unserer IT mit den drei Säulen Business Integration, Organisation und Architektur. Wir sprechen nicht mehr über Funktionen in der IT, sondern über Produkte – genau wie unsere Partner im Business. Wir arbeiten nicht mehr in einer funktionalen IT-Organisation, sondern in einer produktorientierten mit klarer Ende-zu-Ende-Verantwortung.
End-to-End-Verantwortung klingt gut, ist aber meist kein Selbstläufer. Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren für die Umsetzung im Alltag?
Bettina Uhlich: Erfolgskritisch ist für uns das gemeinsame Verständnis in der IT-Organisation. Für uns entscheidet nicht die einzelne Funktion, sondern ob unser Produkt den Anforderungen unserer internen Businesspartner entspricht. Dafür brauchen wir klare Verantwortungen über die IT-Funktionsbereiche hinweg – von Infrastruktur bis Softwareentwicklung. Wir sind nur dann erfolgreich, wenn das gemeinsame Endprodukt gut ankommt. Das treibt Motivation.
Also Motivation durch Verantwortung? Was antworten Sie Ihren Mitarbeitern im Changeprozess auf die Frage „What’s in for me?“
Bettina Uhlich: Für meine Mitarbeiter wächst die gemeinsame Freude. Wenn die Anwender sagen, es funktioniert nicht, bringt es auch nichts, wenn wir meinen, wir hätten ein tolles Projekt abgeliefert – in time, in budget, in scope. Wenn wir aber gutes Feedback bekommen, motiviert das alle IT-Mitarbeiter, die am Gesamtergebnis mitgearbeitet haben.
Wie begegnen Sie Skeptikern, die Angst davor haben, ihren Job zu verlieren, und glauben, wir bewegten uns auf einem Kampf Mensch gegen Maschine zu?
Bettina Uhlich: Das ist für mich Unsinn. Wir haben ja auch keinen Kampf Pferd gegen Auto. Maschinen haben keinen Selbstzweck. Sie werden sich keine Gefühle aneignen. Wir können uns Maschinen zunutze machen, um uns von alltäglichen Routinearbeiten zu befreien – vom Lastentragen wie in der Logistik zum Beispiel und auch von Dingen, die uns langweilen.
Was begeistert Sie persönlich an der Digitalisierung?
Bettina Uhlich: Mich begeistert, die Komplexität, die uns umgibt, ganz einfach vermitteln zu können und so allen Menschen Zugang zu Informationen und Applikationen zu gewähren. Egal wie kompliziert die Anwendungen im Hintergrund sind: Die Bedienung wird kinderleicht. Mich begeistern die leuchtenden Augen wie die meiner Mutter, die mit fast 80 Jahren zum WhatsApp-Fan wurde und so an einem zentralen Teil des Familienalltags mit ihren Kindern und Enkeln teilhaben kann.
YouTube Direct Link: https://www.youtube.com/watch?v=eRzbnjEIw1s