Das enorme Potenzial von KI-gestützten Absatzprognosen: Eine Verena Fink Kolumne – im möbelfertigung Magazin

KI-Absatzprognose im E-Commerce

Lagerlogistik und Beschaffungsmanagement treibt spätestens seit dem Lieferkettentrauma in Folge der Pandemie und Folgekrisen viele Branchen in Deutschland um. Wie künstliche Intelligenz dabei helfen kann, zeigt aktuell zum Beispiel Otto. Der Hamburger E-Commerce-Riese kann durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) seine Beschaffungsmengen bedarfsgerecht bestimmt. Die KI soll helfen, Überbestände zu reduzieren, die andernfalls mit Verlusten abverkauft werden müssten. Wenn Otto über die optimierte Lagerlogistik sicherstellt, dass nur benötigte Ware auf Vorrat ist, zahlt das auch auf den Anspruch des Branchenvorreiters auf Nachhaltigkeit ein und hilft seinen Lieferanten, Überproduktion zu vermeiden. Die KI-Anwendung sorgt mit präzisen Ab-satzprognosen dafür, dass Artikel verfügbar sind, wenn die Nachfrage steigt und berechnet potenzielle Umsatzeinbußen, die durch Nichtverfügbarkeit entstehen könnten. Auf diese Weise werden bei Otto nach eigenen Angaben bereits 35 Prozent der Sortimente automatisch nachgeordert. Um eine schnelle Lieferung an die Kunden zu gewährleisten, erstellt das KI-Forecasting regionale Prognosen und versucht vorherzusagen, welche Produkte in welchen Mengen wo bestellt werden. Dies optimiert die Lieferkette, indem die relevanten Artikel vorausschauend an ein Verteildepot in der Nähe des erwarteten Bestellaufkommens geliefert werden können. Neben den Lieferzeiten wird auch der CO2-Ausstoß reduziert, da unnö tige Transportwege vermieden werden.

Lernfähige KI blickt in die Zukunft

Die durch die KI erstellten Prognosen gehen über reine Vorhersagen hinaus. Sie basieren auf der Analyse des wahrscheinlichsten Zukunfts-szenarios, das aus vordefinierten und aktuellen Rahmenbedingungen abgeleitet wird. Relevante Faktoren für die Prognose sind unter anderem der Preis, der aktuellen Geschäftsklimaindex und das Vertriebsbudget. Während regelbasierte Software ohne KI durch eine vorgegebene Formel Ergebnisse berechnet, erstellt die lernfähige KI solche Formeln selbst aus den vorhandenen Daten und setzt sie in Relation zueinander. Bei Otto werden pro Monat rund 30 Milliarden Ein-zelprognosen erstellt. Täglich wird der mögliche Verlauf von etwa 2,5 Millionen Artikelnummern für die kommenden 450 Tage analysiert. Dabei werden historische Verkaufsdaten, Kundenver-halten, saisonale Trends, Feiertage und geplante Marketingaktivitäten berücksichtigt. Sogar Wetterdaten können einfließen, um beispielsweise den Absatz von Ventilatoren während Hitzewellen zu antizipieren.

Effizienter und nachhaltiger wirtschaften

Laut Otto können sich die Ergebnisse dieses Anwendungsfalles sehen lassen. Durch präzise Vorhersagen konnte die Rentabilität der Sortimente gesteigert, die Lagerlogistik optimiert und die Kundenzufriedenheit durch kürzere Lieferzeiten erhöht werden. Allein in der Logistik plant das Unternehmen, durch eine prognosebasierte, automatisierte Steuerung im laufenden Geschäftsjahr zweistellige Millionenbeträge einzusparen. Spannend finde ich den breiten Nutzen solcher KI-gestützter Absatzprognosen entlang der kompletten Wertschöpfungskette bis hin zum wirtschaftlichen und verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Durch die intelligente Verknüpfung von Daten und die Automatisierung von Prozessen können Unternehmen nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger wirtschaften. Das gilt nicht nur für Branchenriesen wie Otto, sondern ist auch ein niedrigschwelliger Anwendungs-fall für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland.