Buzzwords zur Digitalisierung brechen wie spanische Sommerhits über uns herein. Riskant, wenn die Organisation mitsingt ohne den Text zu verstehen. Haben Sie in der letzten Woche mehr als einmal das Wort digitale Transformation in den Mund genommen? Fragen Sie mal Ihre Mitarbeiter, Kollegen und Chefs, was die darunter verstehen.
Ich wette die Antworten sind so bunt wie das Layout dieses Artikels: Von Rapid Prototyping für fast Change, Disruption durch Out of the Box Thinking, Predictive Analytics für Customer Centricity oder Fail Fast durch Pivoting bis zu Immersive Marketing für Adaptability, und Virtual Reality mit Artificial Intelligence als Game Changer. Fans von Buzzword Bingo oder Bullshit Bingo werden über solche Listen in Verzückung geraten. Die persiflierte Variante des Bingo-Spiels entstand im Silicon Valley schon in den 90ern als ein Wissenschaftler die unzähligen Schlagwörter aus Managementpräsentationen in Bingo-Karten verwandelte.
Buzzwords entstehen und vergehen. Sie beschreiben oft Lebenswirklichkeiten, die nicht neu sind. Digitale Transformation hat nicht erst Mitte dieses Jahrzehnts begonnen sondern passiert mit jedem technologischen Veränderungsschritt, vom IT Problemlöserkollegen am Schreibtisch zur User-Online-Betreuung, vom Fax zur Email, vom Katalogbesteller zum Online-Käufer oder vom Zeitungsfalter zum E-Reader. Die simple Beschreibung, dass Veränderung stattfindet und man mit der Zeit gehen muss, klingt halt nicht so toll wie digitale Transformation.
Problematisch wird es für Ihre Organisation nur dann, wenn es über wohlklingende Digital-Schlagworte kein gemeinsames Verständnis gibt zum Ziel, auf das sich die Mannschaft hinbewegen soll. Was soll sich für uns ändern durch die digitale Transformation und wie kann ich dazu beitragen? Wer auf solche Mitarbeiterfragen keine klaren Antworten hat, der schürt Unsicherheit und Widerstand im Team. Manches Schlagwort führt in Organisationen auch zu fatalen Missverständnissen: 1.0, 2.0, 4.0, die Versionsnummer-Metapher kommt aus der Software-Entwicklung und impliziert, dass wir nur eben ein paar neue Funktionen hinzuprogrammieren und schon ist die Transformation geschafft. Vielmehr bedarf es allerdings eines fundamentalen Paradigmenwechsels. Unternehmen lernen auf dem Weg, technologische Entwicklungen möglichst früh zu antizipieren und langfristigen Wandel zur Normalität zu machen .
Das Geheimrezept für diesen Paradigmenwechsel jenseits von Buzzword-Bingo ist einfach und ganzheitlich: Machen Sie für Ihre Teams greifbar was sich ändert in deren Lebens- und Arbeitswelt. Schaffen Sie ein gemeinsames Verständnis für Strategie-Begriffe. Organisieren Sie Workshops, in denen Projektteams neue Technologien testen können. Kooperieren Sie mit Startups in Ihrer Branche oder angrenzenden Disziplinen. Besuchen Sie Unternehmen, die neue Lösungen schon eingeführt haben und lernen Sie von deren Erfahrungen wie sich Aspekte von digitaler Transformation meistern lassen. Laden Sie branchenfremde Experten ein, die Geschichten erzählen, wie mutige Vorreiter traditionelle Geschäftsmodelle verändert haben. Dadurch ist Ihre Mannschaft beteiligt, wenn Sie auf dem Weg Ihre wichtigsten Handlungsfelder identifizieren und wird nicht konfrontiert mit einer fertigen Transformationsstrategie, die nur so wimmelt von Buzzwords. Auf dem Weg haben sie stattdessen gemeinsam Horizont und Vokabular erweitert.
Nach meiner Erfahrung sind Teams, die diesen Weg gemeinsam gehen anschließend deutlich schneller und effizienter in der Umsetzung. Die Kollegen reden nicht mehr aneinander vorbei, auch wenn weiter Buzzwords in den Präsentationenfolien auftauchen. Ein Gutes haben Sie ja, die vielgenutzten Schlagworte: Sie sensibilisieren für Veränderung und bereichern damit nicht nur das Phrasenschwein sondern idealerweise auch den Blickwinkel.
Verena Fink, Gründerin von Woodpecker Finch ist Expertin für kundenzentrierte Innovation und künstliche Intelligenz. Sie berät, coached und begleitet Unternehmen auf dem Weg in die Digitale Welt. Im DIGITAL WOODPECKER teilt sie Impulse aus dem Silicon Valley und ihre langjährigen Erfahrungen aus dem digitalen Wandel von Unternehmen.