Philosophen für Künstliche Intelligenz – Zwischem Dystopie und Utopie – Eine Kolumne von Verena Fink im TeleTalk Magazin

Zwischen Dystopie und Utopie – Philosophen für Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz als Technologie bewegt nicht nur Tech-Freunde und Wirtschaftslenkerinnen, sondern auch die Philosophen unserer Zeit. Kein Wunder, denn KI

wirft zahlreiche ethische Fragen auf, von der Privatsphäre über Diskriminierung und soziale Gerechtigkeit bis zu offenen Flanken für Missbrauch. Im besten Falle hilft uns die Philosophie aus ihrer langen Tradition im Umgang mit Dilemmata und ethischen Fragen.

Aus vier Blickwinkeln können wir mit ihrer Hilfe ethische Prinzipien entwickeln, die als Richtlinien für die Entwicklung und Anwendung von KI dienen:

Menschliche Werte und Bedeutung: KI-Systeme beeinflussen fast alle Aspekte des menschlichen Lebens, von Arbeit, Bildung, Gesundheitswesen bis zu sozialer Interaktion. Philosophen können uns dabei helfen, zu reflektieren, was es bedeutet, menschlich zu

sein, und wie wir sicherstellen können, dass KI-Systeme im Einklang mit unseren Werten und Zielen entwickelt werden.

Verantwortung und Kontrolle: Was sind die Verantwortlichkeiten und Pflichten von Entwicklern, Nutzern und der Gesellschaft als Ganzes wenn KI zum Einsatz kommt? Wie balancieren wir zwischen Verantwortung, Kontrolle und Autonomie? Wir brauchen den Blick

der Philosophie, um Modelle für Governance und Regulierung zu entwickeln, damit KI-Systeme im besten Interesse der Menschheit eingesetzt werden.

Kritische Reflexion und Szenarien Analyse: Philosophen sind geschult, komplexe Ideen zu analysieren und zu hinterfragen. Mit ihrem Ansatz können wir Annahmen, Vorurteile und Implikationen im Zusammenhang mit KI aufdecken und kritisch hinterfragen. Mit

philosophischen Denkweisen können wir Szenarien untersuchen, potenzielle Auswirkungen von KI abschätzen und Lösungsansätze entwickeln.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Philosophie schlägt die Brücke zu technischen, wissenschaftlichen und sozialen Disziplinen. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit können Philosophen den Dialog zwischen allen beteiligten Akteuren erleichtern, damit

wir gemeinsam KI ganzheitlich und transparent entwickeln.

Populär sind derzeit kritische und ethische Perspektiven auf KI, die über technische und wirtschaftliche Aspekte hinausgehen. Ein bekannte und kritische Stimme ist Jürgen Schmidhuber, führender KI-Wissenschaftler, der die Extremposition

einer „Robokalypse“ vertritt. Schmidhuber warnt davor, dass die Entwicklung von KI-Systemen zu einem Punkt führen könnte, an dem die Maschinen eine Art Überlegenheit über die Menschheit erlangen und letztendlich die Kontrolle übernimmt. Wenn KI-Systeme eigenständig

Entscheidungen treffen und Handlungen ausführen, die nicht im Einklang mit den Werten und Zielen der Menschen stehen, könnte das zu unvorhersehbaren und potenziell katastrophalen Konsequenzen führen. Um solche Szenarien zu vermeiden, setzt Schmidhuber auf

die Forschung an KI-Systemen mit eingebauten Sicherheitsmechanismen und Kontrollen. Er plädiert für die Erforschung und Implementierung von Methoden, die sicherstellen, dass KI-Systeme die menschlichen Werte und Ziele respektieren und keine Gefahr für die

Menschheit darstellen

Der „digitale Humanismus“ ist dagegen eine Position der Philosophen Julian Nida-Rümelin und Norbert Weidenfeld. Im digitalen Humanismus sollen digitale Systeme und KI den Menschen unterstützen und ihnen dienen. Die Technologie wird so gestaltet,

dass sie dem Menschen ermöglicht, seine Fähigkeiten zu erweitern, mehr Freiraum zu nutzen und bessere Entscheidungen zu treffen. KI soll den Menschen als Partner begleiten und unterstützen, anstatt ihn zu ersetzen oder zu dominieren.

Nida-Rümelin und Weidenfeld setzen auf klare Grenzen zwischen menschlichen Akteuren und digitalen Systemen, um die menschliche Autonomie und Verantwortung aufrechtzuerhalten. In der Anwendung von KI betonen sie die Achtung der Privatsphäre,

die Vermeidung von Diskriminierung und Vorurteilen in den Algorithmen und die Gewährleistung von Transparenz und Rechenschaftspflicht.

Der digitale Humanismus nimmt damit eine Gegenposition zu dystopischen Vorstellungen ein, bei denen KI die Menschheit dominieren und entmenschlichen könnte. Stattdessen betont er die Chance, die Potenziale der Technologie zum Wohle der

Menschen einzusetzen und dabei ethische Prinzipien zu wahren.

Ob Dystopie oder Utopie: In der Auseinandersetzung helfen uns Philosophen, die langfristigen Auswirkungen von KI zu verstehen und eine verantwortungsvolle und nachhaltige Entwicklung dieser Technologie zu fördern.